Maske...ich meinte...Machste mit?...
- Held Stories
- 14. Nov. 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Apr. 2023
Was ein verrücktes Jahr für uns Masken! Auch wir haben uns das bestimmt nicht so vorgestellt! Im Vergleich zu unseren asiatischen Kollegen hatten wir es hier in Deutschland früher noch ganz gut, wurden meist nur exklusiv im Gesundheitswesen eingesetzt. Wir haben mit Chirurgen übermenschliche Operationen vollbracht, mit Zahnärzten die Krater an Karies bewältigt, mit Notärzten im schnellen Einsatz Menschenleben gerettet. Für die Ärzte waren wir wie Robin für Batman, Mr. Watson für Sherlock, Ken für Barbie. Wir waren die edlen und treuen Freunde im Hintergrund, jederzeit, überall, immer da und immer nah. Wir waren die Masken ohne Grenzen! Und man mochte uns, schätzte uns. Wir waren akzeptiert, geliebt, gebraucht, erwünscht.
Und dann kam der Knall, der Big Bang, der Covid-19-Crash und stellte unser Image vollkommen auf den Kopf. Denn jetzt sind wir nicht mehr exklusiv, rar und in unseren Kreisen hoch angesehen. Nein, wir sind die omnipräsenten Barbara Schönebergers, tanzen statt auf jeder TV-Bühne nun deutschlandweit auf jedermanns Gesicht herum. Wir sind die widerspenstigen Donald Trumps, deren Facette ihr einfach nicht sehen könnt und bei unserem bloßen Anblick Eure Stirn runzelt, gar mürrisch grunzt. Wir sind wie die Kijimea Reizdarm Werbung jeden Abend kurz vor der Tagesschau, belästigen Euch konstant mit der gleichen nervigen und schrillen „Ihr braucht uns“-Message.
Keine Frage, ich habe vollstes Verständnis dafür, dass Ihr uns nicht besonders mögt, dass Ihr Euch wünscht, wir wären in unserer stillen Ärztekammer geblieben. Ganz ehrlich, wir wünschten das auch! Denn nun sitzen wir ungewollt und ungefragt bei jedem Einzelnen von Euch auf dem Mund, begleiten Euch in der Ubahn, Schule, im Supermarkt, auf der Arbeit. Sogar auf den öffentlichen Toiletten müssen wir jetzt live dabei sein. Wir sind die Stasi in neuer Uniform, der Agent ohne Cover auf Eurem Gesicht. Glaubt mir bitte, das ist auch für uns nicht besonders cool. Und um keinen Stoff vor den Mund zu nehmen, muss ich es Euch direkt sagen: Wir finden Euch auch irgendwie doof!
Denn auf einmal werden wir nicht mehr mit dem nötigen Respekt vorsichtig aufgesetzt und in unserer Schutzfunktion ernst genommen. Nein, stattdessen stülpt Ihr uns mit Euren nicht desinfizierten Händen trotzig und hektisch auf den Mund, wenn Ihr es eben müsst. Und knüllt uns danach in Eure Hand-, Jacken- oder Jeanstaschen, wo wir eingequetscht zwischen Lippenstiften, Smartphones, Kaugummis, und sonstigen Alltagsutensilien gammeln. Und wenn es uns ganz hart trifft, dann schmeißt Ihr uns sogar lieblos auf den Boden, lasst uns einfach im Regen stehen. Ihr macht uns zu Umweltsündern, zu den neuen McDonalds Tüten auf der Autobahnausfahrt, zu den modernen Bierdosen auf den Stadtpark-Wiesen, zu weiteren Plastiktüten im Meer. Echt Leute, das ist nicht fair!
Ihr ärgert Euch darüber, dass man unter uns so schlecht Luft bekommt, euch gar der Kopf nach langem Tragen weh tut. Chapeau, das tut uns leid! Aber wisst ihr, es handelt sich hier tatsächlich um eine Two-Way-Street. Auch bei uns zieht sich jede Stofffaser zusammen, wenn wir unseren Dienst mit Duftwolken aus morgendlichem Schlaf oder schlimmer noch mit kaltem Kaffeegeruch starten müssen. Wenn die Damen nicht nur Ihr Gesicht, sondern auch uns mit ihrem Make-Up bepinseln, wir ihren Lippenstift zartrosa auf uns spüren. Wenn die Kinder ihren Marmeladen-Mund oder ihre Rotz-Nase an uns abwischen, uns damit zu Servietten und Taschentüchern degradieren. Wenn die Männer mit ihrer Bier- oder Schnapsfahne feierabendlich und selig in uns aufstoßen. Leute, wir sind eine SCHUTZmaske, keine SCHMUTZmaske! Was ist bloß los mit Euch?
Und wäre das nicht schon schlimm genug, sind wir nun auch noch Teil eines Designkampfes geworden, werden mit schrillen Mustern, unternehmensgroßen Firmenlogos, lachenden Fratzen, schrägen Sprüchen oder anderen Labels bedruckt. Ich sehe es ein, unser Style war schon etwas fad davor. Wir sind keine Guccis oder Pradas, keine Merinowollmützen oder Kashmirschals. Wir sind mehr so der simple Baumwoll-Beschützer. Wollen weniger mit Bling Bling und dafür mehr mit Bodenständigkeit getragen werden. Denn wir können auch ohne ein Make-Over! Aber könnt Ihr ohne die Maske-Over?
Ihr seht, auch für uns ist dieses Jahr eine riesige Umstellung und auch wir wünschten, es wäre anders. Aber wir alle müssen in diesem Jahr ganz neue Grenzen in und um uns herum kennenlernen und dabei irgendwie miteinander klarkommen. Wir müssen zu einem einzigartigen Dream-Team in diesem Jahr werden. Wie wäre es mit einem Deal, mit diesen einfachen drei Vereinbarungen?
Erstens, wir lassen uns auf ein paar kleine modische Designveränderungen ein, um Euch auf den Straßen Deutschlands mehr als Marvel-Masken-Held und weniger als Darth Vader aussehen zu lassen. Und Ihr putzt Euch im Gegenzug regelmäßiger Eure Zähne, kaut Kaugummis und gönnt uns regelmäßige ausgiebige Wellness-Waschmaschinen-Gänge. Zweitens, wir lassen uns auf die neuen Berufsfelder ein und beschützen Friseure, Köche, Kellner, Lehrer, Kassierer. Wir achten gleichermaßen auf Kinder, Erwachsene und alte Menschen, groß, klein, dick und dünn. Und auch Ihr nehmt uns genauso wie wir sind, nämlich als Nasen- und Mundschutz und nicht als Serviette, Tempo oder Halstuch.
Drittens, wir sind nur einmal täglich darüber mürrisch, dass wir jetzt einen viel größeren Alltagsstress haben als jemals zuvor und Ihr meckert nur noch einmal am Tag, dass Ihr uns tragen müsst.
Wenn uns das gelingt, dann könnten wir vielleicht sogar ziemlich beste Freunde werden. Und beide jeden Tag gemeinsam etwas Gutes tun. Was sagste?
Maske, ich meinte…machste mit?
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