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UNSUBSCRIBE - hol den digitalen Besen raus...

Aktualisiert: 17. Apr. 2023


Hast Du Dich schon einmal gefragt, was passieren würde, wenn Dein Emailpostfach wieder Dein Briefkasten vor der Tür wäre? Wenn Deine täglichen, privaten Emails nun wieder von einem Briefträger in den Briefschlitz geworfen werden. Wenn sich Deine Post nicht mehr länger in der digitalen Welt versteckt. Sich stattdessen wie Unkraut vor Deiner Haustür ausbreitet. Wenn sogar pensionierte Brieftauben die Post vor lauter Haufen nicht mehr erkennen und orientierungslos in ihr herumpicken.


Ich bin davon überzeugt, dass ich alleine mit meinem privaten Emailpostfach die gesamte Brieflogistik der Deutschen Post innerhalb einer Woche lahmlegen würde. Denn die eine Hälfte der deutschen Postboten würde ich im Over-Night-Express in ein langanhaltendes Burnout schicken. Die andere Hälfte würde ihren Job aufgeben. Sie würden nicht länger meine Sendungen, sondern mich verfolgen und mich täglich unfrankiert mit Drohbriefen bombardieren.

Die älteren Nachbarn würden über meine Niagarafälle an Newslettern nörgeln, schließlich wurden sie noch in der Welt des einzig wahren Quelle-Katalogs groß.

Der Hausmeister wäre kein Meister seines Hauses, sondern ein Opfer meiner Junk-Mails. Er würde schwitzend versuchen, die Flut an Werbung wegzufegen und dabei schon wahnsinnig „Bitte keine Werbung, bitte keine Werbung“ vor sich her murmeln.

Das Ordnungsamt müsste monatlich den Haufen an Spam-Müll mit einem Band absperren und regelmäßig einen Container ordern, um das unordentliche Chaos wieder in deutsche Ordnung zu transformieren.


Ich übertreibe? Ich denke nicht. Nach einer intensiven Recherche über meine derzeit 1.028 ungelesenen Emails, enttarnen sich 1.015 Emails als charmant verkleidete, digitale Werbeblättchen. Mein Postfach ähnelt einem Bazar, in dem nationale und internationale Emails durcheinanderrufen und sich mit ihren Angeboten übertrumpfen wollen: „30% Rabatt: Entdecken sie minimalistische Geschenkideen“ „50% Off: Nur noch heute!“, „Check out today’s WONDERFUL DEAL!“ „Unsere Riesen-Angebots-Aktion nur für Sie“. Was ein ohrenbetäubender Lärm! Eigentlich fehlt nur noch Dieter Bohlen in meinem Postfach, der ein paar wenige Emails mit „Von Bohlen empfohlen“ aus dem Werbe-Wust herauspoppen lässt.

Ich frage mich, wann ich den Überblick über diese Newsletter verloren habe. Denn manche Anbieter sagen mir noch nicht einmal etwas. Ich vermute es war mein hilfloses Konsum-Ich, das in Trance einen minimalistischen Einkauf wie Sticker, Filzgleiter oder Nagelöl getätigt haben muss und seitdem wöchentlich mit Sticker-, Filzgleiter-, und Nagelöl-Newslettern konfrontiert wird.


Beim Scrollen über diese ganzen Emails werde ich tatsächlich wütend. Zum einen auf mich, denn irgendwie wurde ich wie eine Motte in ihr Rabatt-Sale-Aktions-Emailverteiler-Licht gezogen. Aber auch auf diese unverschämten Emails, die sich mit unkreativen Betreffzeilen meine Aufmerksamkeit erschleichen wollen und einfach nur nerven. Sie nerven wie Jugendliche, die Kaugummi nicht kauen, sondern gackernd vor sich her schmatzen. Wie Großeltern, die Videos von ihren schreienden und zuckersüßen Enkelkindern nicht mit Kopfhörern, sondern mit dem ganzen Ubahn-Abteil hören. Wie Kollegen, die einen knackigen Inhalt nicht kurz kommunizieren, sondern in einem langwierigen Monolog ausführen. Denn man kann einfach NICHT nicht hinhören oder hingucken, ärgert sich augenblicklich über sich selbst, weil man sich so einfach von dieser Nervquelle einlullen lässt.


So sitze ich also nun hier vor diesen 1.015 schmatzenden und lauten Emails, die es sich schon viel zu gemütlich in meinem Posteingang gemacht haben. Sorry ihr Lieben, aber jetzt geht es Euch an den Kragen, denn meiner ist soeben geplatzt. Die zuvor gespürte Wut wandelt sich zu einem nicht mehr zu bändigendem Kampfgeist um.

Ich werde zum Killer.

Die Maus ist mein Schwert.

Jede Email ist für mich ein „Where’s Wally“-Wimmelbild.

Zielgerichtet ignoriere ich die Bilder, Angebote und Prozente und scrolle schnurstracks zum Kleingedruckten. Er weiß, er kann sich nicht länger vor mir verstecken. Ich scanne den Text und da ist er, der Abmeldelink. Ich habe Dich!! Mit voller Energie sticht meine Maus zu.

Der Abmeldelink will sich wehren, indem er ein neues Fenster öffnet. Doch er wird mich nicht los. Ich bleibe konzentriert, drücke auf den nächsten Abmeldebutton. Ja, ich habe es geschafft! Ich bin abgemeldet! Der Anbieter ist erstaunt, will von mir wissen, warum ich seine Newsletter nicht länger abonnieren will. Ich suche nach dem „Es gibt nichts Nervigeres als Eure doofen Newsletter mit den unkreativsten Betreffzeilen und dem leersten Inhalt ever. Ganz ehrlich, das ist weder Letter noch News, Leute.“-Button. Ich nehme den „Es sind zu viele Newsletter“-Button und hoffe, dass meine eigentliche Message trotzdem ankommt. Ich fühle mich befreit. Dich bin ich los.


Mit jeder weiteren Abmeldung fühle ich mich leichter, voller Energie und so frei. Meine Stimmung wandelt sich von „eingelullt im Spam“ zu „euphorisch im Bamm“!

Ich bin nicht länger das Opfer, ich bin der Täter. Okay, Täter klingt wahrscheinlich zu krass. Aber ich nehme meinen Spam selbst in die Hand und räume auf. Und auch wenn ich mich nicht von jeder Email mit Liebe und Dankbarkeit verabschiedet habe, wäre Marie Kondo bestimmt stolz auf mich.

Der Schlusspfiff ertönt. Ich gewinne das Spiel gegen die Spam-Mails mit 1.015:0. Keine Frage, ein paar Schlawiner werden eine Revanche fordern, sich in den nächsten Tagen noch einmal bei mir einschleichen. Doch ich bin gewappnet, habe Blut geleckt, werde nicht lockerlassen.


Dieses digitale Loslassen tut einfach gut. Denn ich möchte mich nicht mehr länger mit solchen Kleinigkeiten herumplagen und von ihnen nerven lassen, will auch diesen kleinen Dingen große Grenzen aufzeigen. Dabei achte ich bereits immer mehr auf mich, auf die Routinen, Grenzen und Strukturen, die mir im Alltag immer wieder guttun. Doch meinen digitalen Zwilling, den hab ich nicht immer auf dem Radar. Der drängt sich auch einmal Undercover ganz leise in mein Leben und versucht die Überhand zu gewinnen. Dann sehe ich auf einmal die Emails vor lauter Spam nicht mehr und bin darüber überrascht.

Geht es Dir genauso? Dann wage den ersten Schritt und schau doch mal, wie es unter Deinem digitalen Sofa so aussieht. Frage Dich, was Dich nervt, wofür Du Dir vielleicht zu viel Zeit nimmst, wo Du aufgeräumter sein könntest. Klar, das ist Arbeit, vor der wir uns gerne drücken wollen. Gerade, weil man diesen Staub nicht so schnell sieht, er sich elegant verstecken kann. Doch wenn Du auch in Deinem digitalen Leben Ordnung schaffst, wirst Du wahrlich unbesiegbar! Fang einfach an! Step-by-step!


Erster Schritt: Unsubscribe - Hol den digitalen Besen raus und fege voller Freunde Deinen Posteingang! Nächster Schritt: Social-Media-Kanäle. Puh, das wird eine längere Geschichte. Demnächst mehr dazu auf Instagram, hahaha…

 
 
 

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